Javier MIlei - Kettensägen schwimmender Präsident Argentiniens, ist Vorbild für die Zurechtstutzung des Staates und deshalb im Westen verhasst.
"Steuern sind Diebstahl"
Der Staat dient längst nicht mehr dem Bürger, sondern es verhält sich umgekehrt. Miles Argentinien ist ein Beispiel dafür, wie man den Staat begrenzt und mehr Freiheit zulässt.
Er galt als Außenseiter, als Enfant terrible, als Provokateur, als ökonomischer Radikaler. Und doch wurde Javier Milei, der Politiker mit der Kettensäge, Präsident Argentiniens. Nicht trotz, sondern wegen seiner radikalen Klarheit. Milei steht für Ideen, die im politischen Betrieb als unzumutbar gelten – und die bei näherer Betrachtung weniger revolutionär als konsequent konservativ sind.
Sein Denken speist sich aus der Österreichischen Schule der Nationalökonomie – einer Denktradition, die im 20. Jahrhundert primär durch Ökonomen wie Ludwig von Mises und Friedrich August von Hayek geprägt wurde. Ihr Kern: Misstrauen gegenüber staatlicher Allmacht, Skepsis gegenüber zentraler Planung, Vorrang von Eigentum, Vertrag und individueller Verantwortung. Nicht der Staat schafft Wohlstand, sondern der Mensch – und je größer der staatliche Zugriff, desto größer die Verzerrung von Anreizen, Märkten und Freiheit. Mit dieser Philosophie trat Milei in einem Land an, das jahrzehntelang als abschreckendes Beispiel staatlicher Überdehnung galt: Dauerinflation, Währungszerfall, Subventionspolitik, fiskalische Disziplinlosigkeit. Innerhalb kurzer Zeit lieferte er Ergebnisse, die selbst Kritiker zur Kenntnis nehmen mussten: drastische Kürzungen von Subventionen, ein ausgeglichener Primärhaushalt, sinkende Inflationstendenzen, ein Ende der permanenten monetären Finanzierung staatlicher Defizite. Kein Wunderheilmittel, aber ein Bruch mit schlechten Gewohnheiten, die Argentinien in eine jahrzehntelang währende Dauerkrise geführt hatten. In Europa hingegen ist Milei weithin verschrien. Nicht primär wegen konkreter Maßnahmen, sondern weil er etwas antastet, das hier seit über zwei Jahrhunderten als heilig gilt. Seit der Französischen Revolution von 1789 wird der demokratische Staat nicht nur als Organisationsform, sondern als moralische Instanz verstanden. Sein Handeln gilt per se als legitim, sein Zugriff als gerechtfertigt, seine Ausweitung als Fortschritt. Wer das infrage stellt, rührt an das Fundament moderner politischer Selbstverständnisse.
Genau das tut Milei. Er stellt nicht einzelne Programme infrage, sondern die Struktur und Logik demokratischer Staaten selbst: ihren Anspruch auf stetige Ausdehnung, auf moralische Deutungshoheit, auf selbstverständlichen Zugriff auf Eigentum und Einkommen. Seine Provokation lautet nicht, dass Demokratie falsch sei – sondern dass auch demokratische Macht begrenzt werden muss, damit ihre tendenzielle Übergriffigkeit eingeschränkt wird.Wenn der argentinische Präsident Javier Milei sagt: „Der Staat ist nicht die Lösung. Der Staat ist das Problem“ ist das keine rhetorische Zuspitzung, sondern der Kern seiner Staats- und Steuerkritik. Milei benennt die Übergriffigkeit des Staates als zentrales Problem moderner Gesellschaften. In Debatten, Interviews und Redebeiträgen stellt er nicht die Frage, wie gerecht eine Steuer sei, sondern mit welchem Recht der Staat überhaupt zugreift. Seine Antwort ist radikal, aber konsistent: „Steuern sind Diebstahl.“ Gemeint ist kein Affekt, sondern eine gezielte staatsphilosophische Übergriffigkeit. Für Milei ist der Staat kein moralisches Subjekt, sondern ein Machtapparat – und Macht ist nur legitim, wenn sie begrenzt ist. Seine Argumentation folgt einer einfachen Logik: „Eine Steuer ist kein freiwilliger Akt. Wer nicht zahlt, wird bestraft. Deshalb ist sie kein solidarischer Beitrag, sondern Zwang.“
Nicht die Höhe der Steuer sei das Problem, sondern der selbstverständliche Anspruch des Staates auf das Einkommen seiner Bürger. Steuererhebung bedeutet für Milei: erzwungener Zugriff auf fremdes Eigentum. Damit stellt er eine Frage, die im politischen Diskurs kaum noch gestellt wird: Kann etwas legitim sein, das nicht freiwillig ist? Mileis Kritik richtet sich nicht gegen staatliche Ordnung oder Organisation, sondern gegen einen Staat, der sich von einer begrenzten Ordnungsinstanz zu einem permanenten Zugriffssystem entwickelt hat – finanziell, sozial, wirtschaftlich und kulturell. In deutschen Analysen wird das so zusammengefasst: Milei sieht den Staat als Überstruktur, die den Bürger zunehmend entmachtet. Diese Perspektive eröffnet den argumentativen Raum für alles, was folgt: historische Modelle, funktionierende Gegenbeispiele und die zentrale These, dass staatliche Begrenzung keine Utopie, sondern Voraussetzung von Freiheit und Wohlstand ist.
Biederdeckelgeschwafel und Sozialismus à la Merz
Demgegenüber steht die Realität der bundesdeutschen Steuerpolitik. Steuern gelten hier nicht als Ausnahme, sondern als Normalzustand staatlicher Finanzierung. Nicht staatliche Zurückhaltung, sondern Ausweitung der Abgaben und Steuerlast ist das Leitmotiv. Besonders augenfällig ist der Bruch zwischen Rhetorik und Realität: Im Wahlkampf wurde die „Steuererklärung auf dem Bierdeckel“ propagiert – ein Symbol für Vereinfachung und staatliche Zurückhaltung. Geprägt wurde es 2003 ausgerechnet von Friedrich Merz (CDU). Heute ist Merz Bundeskanzler einer Koalition mit der SPD – und von diesen Reformversprechen ist nichts geblieben. Die Steuerlast ist höher und die Steuerart komplexer geworden, nicht einfacher. Die Abgabenquote ist gestiegen, nicht gesunken. Die politische Folge ist ein systemischer Widerspruch: Die Union entfremdet sich von der Leistungselite, dem Mittelstand und dem Bürgertum. Die SPD verprellt jene Gruppen, für die sie einst antrat: Arbeiter und untere Mittelschicht. Gerade diese Gruppen erleben keine Entlastung, sondern dauerhaft steigende Nettobelastung. Damit werden jene, die arbeiten, konsumieren und Einkommen erwirtschaften, zunehmend zu Finanzierungspuffern für politische, ideologische Programme, oft unter moralischen Etiketten wie Klimaschutz, Gerechtigkeit oder Transformation. Der Zugriff bleibt – nur die Begründung wechselt. Diese Entwicklung ist kein subjektiver Eindruck, sondern lässt sich an einer zentralen Kennziffer messen: der Staatsquote. Sie beschreibt den Anteil staatlicher Ausgaben an der gesamten Wirtschaftsleistung – und damit, wie viel Raum der Staat im Verhältnis zur Gesellschaft einnimmt.
Laut Daten des Statistischen Bundesamtes lag die Staatsquote in Deutschland
– 2015 bei rund 44 %,
– 2019 bei etwa 45 %,
– 2020 pandemiebedingt bei über 51 %,
– und seither dauerhaft knapp unter 50 %, ohne Rückkehr zum Vorkrisenniveau.
Entscheidend ist nicht der Ausschlag in der Krise, sondern das, was danach geschieht. Ein Staat, der sich in Ausnahmesituationen ausdehnt, aber in Normalphasen nicht zurücknimmt, verschiebt seine Rolle dauerhaft. Aus der begrenzten Ordnungsinstanz wird ein dominanter Akteur. Genau hier setzt eine ordnungspolitische Warnung an, die heute fast vergessen scheint. Helmut Kohl formulierte sie bereits in den 1980er-Jahren pointiert: „Bei einer Staatsquote von 50 Prozent beginnt der Sozialismus.“ Kohl meinte damit keinen dogmatischen Sozialismusbegriff, sondern eine systemische Grenzmarke: Ab diesem Punkt kontrolliert oder verteilt der Staat mehr als die Hälfte der wirtschaftlichen Wertschöpfung. Er wird nicht mehr Rahmengeber, sondern strukturbestimmend. Das Zitat ist bis heute Bestandteil ordnungspolitischer Debatten und wird etwa von der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft eingeordnet: Auch wirtschaftswissenschaftlich wird die Staatsquote genau in diesem Sinn verwendet – nicht als Beweis, sondern als Indikator für staatliche Dominanz. Der Wirtschaftsdienst der Leibniz-Gemeinschaft beschreibt sie explizit als Maß für das Ausmaß staatlicher Einflussnahme und warnt vor einer Normalisierung dauerhaft hoher Quoten.
Der Gegensatz zu Javier Milei ist somit unübersehbar. Während die deutsche Politik implizit davon ausgeht, dass der Staat Anspruch auf das Einkommen seiner Bürger hat und politische Ziele diesen Anspruch rechtfertigen, stellt Milei genau diese Selbstverständlichkeit infrage. Seine Position ist deshalb kein ökonomisches Detailprogramm, sondern ein Frontalangriff auf die Logik staatlicher Dauerexpansion: Der Staat hat klar definierte Aufgaben. Alles darüber hinaus ist ein Übergriff. Und jeder einzelne muss perfekt begründet, begrenzt oder gar ganz unterlassen werden. In Deutschland hingegen erschafft der Staat durch seine Überregulierung und Übergriffigkeit Probleme und bietet gleichzeitig die Lösung dafür an, indem er Umverteilungsprogramme erschafft, finanziert durch Zugriff auf das Privateigentum. Effizienz ist zweitrangig, entscheidend ist politische Legitimation. Was gestern Ausnahme war, gilt heute als notwendig – und morgen als alternativlos. Die Staatsquote macht diesen Wandel sichtbar. Sie ist kein ideologischer Kampfbegriff, sondern ein Seismograf. Sie zeigt an, wann ein Staat beginnt, mehr Raum einzunehmen, als ihm ursprünglich zugedacht war – und wann marktwirtschaftliche Ordnung schleichend in ein nur mehr ordnendes und regulierendes System übergeht. In diesem Licht entfaltet Mileis Satz seine eigentliche Sprengkraft. „Steuern sind Diebstahl“ ist eine notwendige Feststellung, und eine Erinnerung daran, dass Staaten nur bedingt das Recht haben, in die Taschen ihrer Bürger zu greifen. Erinnern wir uns an den Zehnt, die Abgabe, die jeder Untertan an einen Feudalherren oder an eine geistliche Institution zu leisten hatte. Im Licht der gegenwärtigen Belastung durch Steuern und Abgaben erscheint dieser als vergleichsweise fair. Heute sprechen wir von einer Abgabenquote von 50 % (Steuern und Sozialabgaben) nur auf Einkommen. Darin nicht eingerechnet sind die 39 weiteren Steuerarten.
Die Grenze zwischen legitimer Staatsfinanzierung und übergriffigem Zugriff ist längst überschritten. Es gilt, wie Horst Seehofer (CSU) in einem anderen Kontext einmal sagte, den „Rechtsstaat wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen“. Es ist allzu offensichtlich: Wir leben inzwischen nicht mehr in einem Staat, der den Bürgern dient – sondern in einem, in dem der Bürger dem Staat dient. Es geht nicht nur um Argentinien oder ausschließlich um Deutschland. Es geht um die Frage der Staatsphilosophie. Nach Jahrzehnten der staatlichen Expansion in den westlichen Demokratien ist es Zeit, wieder zurückzukehren zu einem Staat, der sich zurücknimmt, der Raum gibt, damit aus Freiheit Wahlstand erwächst. Vor diesem Hintergrund werden Modelle wie die Schweiz mit dem Wettbewerb der Kantone, historische Ordnungen wie das Deutsche Reich von 1871 oder moderne, aber klassische Staatsfinanzierungsansätze wie Trumps Zollpolitik wieder relevant – als Korrektiv eines fehlgeleiteten Staatswesens.
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